Zwischen sozialer Marktwirtschaft und Protektionismus - Klausurtagung der MIT-Thüringen am 05.11.2021 in Tambach-Dietharz14.11.2021

Der MIT-Landesverband Thüringen trifft sich jährlich zu einer Klausurtagung, bei der aktuelle mittelstandspolitische Themen erörtert werden. In diesem Jahr standen die coronabedingten Auswirkungen auf die Lieferketten und die im internationalen Vergleich dringend notwendige Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland auf der Agenda.
Die Eingangshypothese lautete: „Brauchen wir staatliche Eingriffe in grenzüberschreitenden Transaktionen, um zum Beispiel die für die deutsche Bauwirtschaft dringend benötigten metallischen Sekundärrohstoffe und Bauhölzer zu sichern bzw. die in Folge der Rohstoffverknappung immensen Preissteigerungen aufzuhalten?“
Mit einem Impulsreferat führte Marcel Kübler (MIT-KV-Nordhausen) in die Problematik ein. Anhand aktueller Prognosen der OECD wird der Anteil am Welt-BIP von EU, Japan und USA stark schrumpfen, während sich die Anteile von China und Indien verdoppelt bzw. fast verdreifachen. Die Ursachen für die geringen Wachstumsraten des BIP in Deutschland wurden durch die Teilnehmer unter anderen im starken Rückgang der Prozess- und Produktinnovationen und zu geringen Investitionen im Bildungsbereich gesehen. Aber auch die starke, zunehmende Abhängigkeit von globalen Lieferketten wurde sehr kritisch bewertet. Fehlende Halbleiter-Bauteile bremsen weltweit die Autoproduktion aus. Aus diesem Grund hat auch das Opel-Werk in Eisenach im September bis zum Jahresende seine Produktion eingestellt. Nur wenn die Lieferketten es erlauben, soll in 2022 die Produktion wiederaufgenommen werden.
Für den Erhalt der Digitalen Souveränität werden somit die von der Europäische Kommission geplanten neuen Industrieallianzen für Prozessoren und Halbleitertechnik sowie für industrielle Cloud- und Edge-Computing-Technik zunehmend wichtiger. Doch bis diese Maßnahmen zum Auf- und Ausbau notwendiger Produktionskapazitäten greifen, wird noch einige Zeit vergehen. Geplant ist derzeit, den Anteil der Europäer an der Halbleiterfertigung bis zum Jahr 2030 von zehn auf 20 Prozent zu verdoppeln. So mancher Teilnehmer fragte sich deshalb, ob die deutsche Wirtschaft bis dahin durchhalten wird?
Um nicht weiter an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, ist es aber auch dringend notwendig, die richtigen politischen Rahmenbedingungen zu schaffen. In der Diskussion kam sehr schnell das Thema auf die Regionalpolitik, um mit ihr die notwendigen Wachstumsimpulse zu setzen. Mit dem Gesamtdeutschen Fördersystem sollen grundsätzlich in allen Regionen Deutschlands gleiche Chancen auf wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung ermöglicht werden. Dass hier für Thüringen noch ein großer Nachholbedarf besteht, zeigt ein Blick auf das Regionalranking des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Im Niveauranking der ländlichen Regionen liegen gleich drei Thüringer Landkreise unter den schwächsten 10 in Deutschland. Zu den „Underperformern“ gehören sogar 13 Thüringer Landkreise. Höchste Zeit, die Wirkungs- und Ergebnisindikatoren der vorhandenen Förderpolitik in Deutschland und speziell in Thüringen kritisch zu hinterfragen.
Fazit der Klausurtagung: Ohne eine leistungsstarke EU-Wirtschaftspolitik und eine passgenauen Regionalpolitik wird der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht nachhaltig gestärkt werden können. Hier wird ein Schwerpunkt der inhaltlichen Arbeit der MIT-Thüringen in 2022 liegen.

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